Erste Eindrücke (September-Oktober)

15. September 2017 – 20:20 ghanaischer Zeit – Accra:

Zwei „Obruni“ treten aus dem trockenen Flugzeug in den leichten, warmen Nieselregen und riechen zum ersten Mal in ihrem Leben ghanaische Luft.  Diese beiden „weißen Männer“ waren Josef Hanifl, einer meiner drei Mitvolontäre, und meine Wenigkeit.

Nach einer gefühlten Ewigkeit waren alle Security-Checkpoints hinter uns und wir marschierten mit jeweils einem Koffer in jeder Hand beim Ausgang des Flughafens hinaus. Brother Mark Anthony erwartete uns bereits und machte mit einem Zettel mit der Aufschrift „Don Bosco“ auf sich aufmerksam. Er hieß uns in Ghana willkommen und brachte uns mit dem Pick-up zum Projekt der Salesianer in Ashaiman, wo wir die nächsten vier Nächte verbringen sollten. Am nächsten Tag, um die Mittagszeit, holten wir Raphael und Lucas vom Flughafen in  Accra ab. In den darauffolgenden Tagen besuchten wir ein Schulprojekt der Schwestern Don Boscos, unternahmen eine kleine Sightseeing-Tour durch Accra, die Hauptstadt Ghanas und besorgten uns unsere Non-Citizen Cards welche wir benötigen, um ein Jahres-Studenten-Visum zu erhalten.

 

Am Dienstag den 19.9. ging es dann endlich los nach Sunyani. Tagwache um 4:30 und auf zum „Bus-Bahnhof“. Viele Menschen, kleine Ständchen am Straßenrand, an welchen Getränke und Snacks angeboten wurden, Bus um Bus und eine männliche, sich überschlagende Stimme die Abfahrtszeiten auf Twi aus einem Lautsprecher brüllt. Die Busse machten dem Namen des Unternehmens alle Ehre, V.I.P.-Tour. Breite, weiche Ledersitze, etwas mehr Beinfreiheit als gewöhnlich und eine Klimaanlage welche den Bus angenehm temperierte. Die siebenstündige Fahrt verging wie im Flug, bei Kartenspielen und sehr vielen Gelegenheiten zu schlafen. In Sunyani angekommen kam Father Ubaldino-Andrade um uns abzuholen. Father Uba ist ein venezolanischer Salesianer, der zuvor einige Jahre in Sierra Leone eingesetzt war und seit Anfang des Jahres der Leiter des Projekts Salesians Don Bosco Odumase ist. Die erste Nacht verbrachten wir in der „Community“ der Brüder Don Boscos, da unser Bungalow noch nicht bezugsfähig war. Im Laufe des Tages lernten wir Brother Riccardo Racca oder kurz Brother Ricci, einen italienischen Salesianer und gleichzeitig Ökonom des Projekts in Odumase/Sunyani, kennen. Unter anderem wurde uns an diesem Abend offenbart, dass wir zusammen mit den zwei deutschen Volontärinnen, die bis zu diesem Zeitpunkt immer in der Community wohnten, leben würden.

Am nächsten Tag war es uns sechs dann endlich möglich in den „Volo-Bungalow“, zuvor „Österreicher-Bungalow“,   einzuziehen. Die ersten Tage im neuen Zuhause waren gefüllt mit Putzen, Einrichten und Einleben. Das Häuschen besitzt eine kleine Terrasse auf der Rückseite, die wir zu unserem Wohnzimmer umfunktioniert haben und wo wir den Großteil unserer Freizeit verbringen.

Ein bis zwei Tage später begann dann die sogenannte „Orientation“, bei welcher wir die drei Projekte, in die wir aufgeteilt werden würden, besuchten. Nach der Vorbereitung war es uns dann freigestellt, welche Arbeit wir übernehmen würden. Kathrin und Josef wählten das „Boys-Home“, um dort Kinder im Volksschul- bzw. Kindergartenalter zu unterrichten. Das „Boys-Home“ ist ein Straßenkinderheim welches Waisenkinder und Kinder, dessen Eltern sie nicht versorgen können, aufnimmt und ihnen Bildung und eine bessere Zukunft ermöglicht. Raphael und Klara‘s Aufgabenbereich liegt im Oratorium (Oratory). Vormittags wird dort Erwachsenen ein ICDL-Kurs (International Computer Driving License) angeboten. Nachmittags kommen hunderte Kinder auf dem Arial des „Youth Centers“ zusammen und können sich dort künstlerisch austoben sowie Fußball, Basketball, Volleyball und sämtliche anderen Spiele spielen.

 

Mein Aufgabenbereich liegt in der Schule, dem „Don Bosco Technical Institute“, wo ich mit meinem Mitvolontär Lucas im Moment unterrichte. Auf unserem Stundenplan steht Großteils das Fach ICT (Information and Computer Technology). Dabei unterweisen wir die Schüler im Moment in den Grundlagen des ICDLs. Vom Erkennen einer Tastatur bis hin zur Definition des Begriffes Software und eine erste Einführung in das Betriebssystem Windows 7. Dieses Jahr ist einer der Lehrer ausgefallen und daher wurden Lucas und mir die Stunden eines gewissen Mr. Yahya zu geteilt. Dabei handelt es sich um erste bis dritte Klassen aus allen möglichen Zweigen. Mit den Schülern des CT-Zweiges kann ich im ICT-Unterricht spezifischere Themen bearbeiten, welche ich auch erst in meiner HTL-Zeit erlernte. Im zweiten Jahrgang des CT-Zweiges unterrichte ich kein ICT, sondern Electronics.

 

Nun zu meinem „moment of the month“:

Father Uba holte uns, am Montag der zweiten Woche in Sunyani, vom Bungalow mit seinem Pick-up ab, um uns den Markt zu zeigen. Serafina, eine Schülerin im DBTI, und Bright, ein Junge aus dem Boys-Home, kamen mit uns als unsere „Guides“ und bewahrten uns davor, beim Feilschen übers Ohr gehauen zu werden. Auf dem nach Hause Weg begann es von einem Moment auf den anderen wie aus Kübeln zu schütten. Klara, Bright, Raphi, Seraphina, Lucas, Kaddi und ich befanden uns zu diesem Zeitpunkt auf der Ladefläche des Pick-ups. Natürlich haben wir Volos sofort unsere Regenjacken ausgepackt und versucht keinen einzigen Regentropfen auf unsere Kleidung durchzulassen, wie es jeder normale Europäer machen würde. Nein, nicht wirklich. Uns allen war es in diesem Moment eigentlich ziemlich egal nass zu werden. Um es in einfache Worte zu fassen: Nass zu werden machte Spaß. Niemand hatte das Gefühl, sich vor anderen für sein Aussehen schämen zu müssen. Irgendwie hatte dieser Moment eine Freiheit in sich, die ich nicht in Worte fassen kann. Vielleicht war es einfach nur, weil keine negative Stimmung meine Gedanken beherrschte. Mein Gedankengang war nicht: „Ageeeh, jetz is mei Gwond noss!“, sondern eher, „Wieso drüba aufregn, wiad eh wida druga.“

 

Bis jetzt fühle ich mich im Großen und Ganzen sehr wohl in Ghana und auch in meiner „nicht ganz so vorrübergehenden Wohnsituation“. Es geht mir äußerst gut und ich bin im Moment mit dem Stand meines Lebens sehr zufrieden. Ich denke, ich bin im Moment am richtigen Ort.

 

Cheers, Xaver.